Wedel musste ohne Haushalt ins Jahr 2020 starten. Wie erklären Sie diese Situation Ihrem Wähler?
Die einfache Erklärung: Sechs Fraktionen im Rat waren sich nicht einig. Eine Mehrheit lehnte den Haushalt ab, wenn auch mit ganz unterschiedlichen Begründungen. Hier die ablehnende Haltung der FDP-Fraktion:
Wir waren die einzigen, die mit Mehrheit für die unpopuläre vom Bürgermeister vorgeschlagene Steuererhöhung plädiert haben, verbunden mit unserem Haushaltsbegleitbeschluss, der die Politik verpflichten sollte, 2020 massive Einsparungen auf den Weg zu bringen. Hätten wir uns durchgesetzt, wäre der Innenminister des Landes sicherlich geneigter, den Kreditrahmen nur soweit zu begrenzen, dass wir die Investitionen für die so dringend benötigten Schulbauten am Gymnasium, an der Gebrüder-Humboldt-Schule und an der Albert-Schweizer-Schule vornehmen könnten. Schicken wir den Haushalt – so wie die anderen Fraktionen es wollen – mit dem riesigen Defizit von 5 Millionen nach Kiel, stehen die Schulbauten auf der Kippe.
Auch wenn unser Antrag auf Steuererhöhung plus Sparen von allen abgelehnt wurde, ist es sicher: Die Steuererhöhung kommt.
Was hätte Ihre Fraktion angesichts der Haushaltsmisere besser machen müssen?
Alle Fraktionen haben über die Jahre dazu beigetragen, dass der Haushalt in Schieflage geraten ist, so auch meine Fraktion, weil wir uns ständig neue Wohltaten ausgedacht haben. Vor Jahren habe ich z.B. erfolgreich den Antrag gestellt, an unseren Schulen Sozialpädagogen einzustellen. So sinnvoll das bei veränderter Schülerschaft nach wie vor ist, so teuer ist es, ca.1 Million jährlich. Vom Land, werden wir weitgehend allein gelassen. Auch bei der Schulkindbetreuung, die uns jährlich mehr als 2 Millionen kostet. Und nun sollen wir auch noch die Frühbetreuung finanzieren. Wir erwarten in diesem Jahr den Besuch des Landesrechnungshofes.
Der will u.a. politische Entscheidungen im Bereich der Freiwilligen Leistungen, speziell deren gesicherte Gegenfinanzierung untersuchen.
Wedel Nord, Nordumfahrung, Hafen, BusinessPark. Bleibt jetzt überhaupt noch Luft für solche Groß-Projekte?
Das Wesentliche an diesen Projekten ist doch, dass sie uns gerade Luft verschaffen und nicht nehmen. Der BusinessPark kostet uns bisher nichts und wirft auch in Zukunft nur Steuern ab und Kaufpreise der Grundstücke. Wer dort arbeitet, soll möglichst in Wedel wohnen, das mindert die Verkehrsbelastung und schafft in Wedel Nord Wohnungen für jüngere Familien, deren Steuern wir gern in der Stadtkasse hätten und deren Kaufkraft die Bahnhofstraße gut gebrauchen kann. Klar, die Nordumfahrung wird uns langfristig einige Millionen kosten, dafür aber die Innenstadt erheblich entlasten und den Verkehrsinfarkt zu vermeiden helfen. Und der Hafen? Wenn denn die Mehrheit im Rat den seit Jahren überfälligen Bau einer Schlengelanlage beschließen würde, wäre der Hafen endlich belebt. Und eigentlich geht es nur darum.
Konsolidieren und als Partei profilieren: Geht das zusammen? Wie geht Ihre Fraktion damit um?
Wenn wir uns 2020 mit unseren Einsparvorschlägen durchsetzen sollten, machen wir uns sicher nicht beliebt und auch nicht mit der unausweichlichen Steuererhöhung. Das ist uns klar.
Wir setzen jedoch darauf, dass unsere Wähler die Notwendigkeit der Maßnahmen erkennen und mit uns an geordneten Finanzen interessiert sind, nur dann können wir die Zukunft unserer schönen Stadt gestalten.
Wenigstens eine Positiv – Prognose: Können sich die Wedeler 2020 auch auf etwas freuen?
Das Hotel am Hafen beginnt zu wachsen, der Schlengel für Segler kommt, die Cubes im BusinessPark sind bereits von Weitem sichtbar, weitere Grundstücke sind verkauft, die Planungen für die Bahnhofstraße sind fertig, der erste B-Plan für Wedel Nord auch. Und weil man sich vom neuen Jahr auch etwas wünschen darf: Die Deutsche Bahn hat der S-Bahn-Unterquerung und dem zweiten Halt zugestimmt.
2020 könnte ein gutes Jahr werden!
Renate Koschorrek
Fraktionsvorsitzende der FDP