Jetzt liegt das Gutachten zum Wohnungsmarktkonzept vor, ganz viele Zahlen, wie schätzen die Gutachter die Situation in Wedel denn eigentlich ein?
Die Fachleute sehen einen viel höheren Bedarf an Wohnungen als wir je angenommen haben. Sie plädieren zunächst einmal für innerstädtische Verdichtungen, gerade da hat Wedel eine Menge vorzuweisen mit den Adlershorst- und Eigenheimprojekten in der Heine- und der Feldstraße, den Planungen im Winkel, am Tinsdaler Weg und am Galgenberg, mit den Projekten an der Hafenstraße, im Elbhochufer und an der Pinneberger – vielleicht ja auch an der Rudolf-Breitscheid-Straße. Einige andere sind bereits im Bau und fast fertig, da ist Wedel gut davor.
Davon, dass Wedel Nord erforderlich ist, gehen die Gutachter ebenfalls ohne Einschränkungen aus, und sie fordern zusätzliche Flächenreserven, auch die gibt es ja bereits an der östlichen Seite der Holmer Straße und der Pinneberger Straße. Sogar einen weiteren B-Plan haben wir mit dem 27 d an der westlichen Holmer Straße in der Hoffnung auf Einsicht der Landesregierung in die Notwendigkeit, dort die landesplanerische Abgrenzungslinie zu verschieben. Von uns aus möglichst bald, spätestens im Rahmen des neuen Regionalplanes III.
Quantitativ entsprechen die bisherigen Planungen der Stadt also offenbar dem Bedarf, Wedel wird weiter wachsen. Dann müssen wir doch aber auch über Fragen der Stadtplanung sprechen und zwar über deren Qualität.
Klar, es reicht nicht, einfach viele Wohnungen zu bauen, wir müssen auch darauf achten, was die städtische Infrastruktur verkraften muss. Wo muss sie sich ändern, welche Anforderungen werden an Kindergärten und Schulen gestellt, an Fahrradtrassen und den ÖPNV? Um nur einige Beispiele zu nennen.
Aber vorher müssen wir uns doch auch vergegenwärtigen, für wen wir die Wohnungen bauen, oder?
Auch das gehört natürlich zu den qualitativen Vorfragen, die vor dem ersten Spatenstich geklärt sein müssen: Für wen bauen wir hier eigentlich?
Wie zum Beispiel schaffen wir es, dass Interessenten aus Wedel oder Menschen, die gerade in Wedel angefangen haben zu arbeiten, bei der Wohnungsvergabe bevorzugt werden. Das geht nämlich und aufgrund der Gutachten kennen wir jetzt Instrumente und Hebel.
Andere qualitative Fragen sind: Wie werden wir den Anforderungen einer alternden Bevölkerung gerecht, was können wir tun, um junge Singles und junge Familien in Wedel zu halten, gibt es vielleicht irgendwann ein „Zu viel“ an öffentlich gefördertem Wohnraum, diese Besorgnis hört man ja auch hin und wieder, wie setzen wir ökologische Standards und viele Fragen mehr, die Antworten erfordern.
Was könnten solche ökologischen Standards sein?
Von vornherein gut gedämmte Häuser mit geringem Energieverbrauch, eine gute ÖPNV-Anbindung an die Innenstadt und den S-Bahnhof, einen PKW – Zu- und Abfluss, der die Innenstadt möglichst schont, großzügige Fahrradtrassen, wenn gewünscht auch autofreie Wohngebiete und solche mit Plätzen für das Car-Sharing, Stromtankstellen, offene Wasserflächen und vieles mehr.
Und wie geht es jetzt weiter mit dem Zahlenwerk, wie geht die Kommunalpolitik mit diesen Erkenntnissen um?
Auf alle Fälle haben wir jetzt das notwendige Zahlenmaterial auf dem Tisch und gutachterliche Hinweise und Ratschläge genug, um mit der konkreten Planung etwa für Wedel Nord weiterzumachen.
Und da heißt das Zauberwort „Fiskalische Wirkungsanalyse“, auch das ist eine saubere gutachterliche Arbeit, die der Kommunalpolitik zeigen soll, welche Auswirkungen auf den jährlichen Haushalt die Planungen von Wedel Nord haben, dies ist die Fragestellung der Gutachter:
Welche „fiskalische“ Bilanz ergibt sich, wenn man die zusätzlichen Einnahmen und Ausgaben, die das Planungsgebiet „Wedel Nord“ in den kommenden 25 Jahren voraussichtlich im Haushalt der Stadt Wedel erzeugen wird, im Sinne einer Investitionsrechnung bilanziert.
Kann man das Ergebnis in wenigen Zahlen zusammenfassen?
Das Ergebnis ist ein jährliches Defizit, je nach Variante, zwischen 80 und 112 TEUR pro Jahr. Und über viele Jahre aggregiert, sind es natürlich Millionen von EUR.
Und, macht Ihnen das keine Angst, die Stadt hat doch schon eine Menge Schulden und darf nur begrenzt weitere Kredite aufnehmen?
Nee, Angst überhaupt nicht, auch bei sorgfältiger Prüfung, eher im Gegenteil. Das Gutachten sagt selbst, dass bei Änderungen einzelner Parameter, bei anderer Bewertung der Ein- und Ausgaben, die mitgerechnet werden, die Ergebnisse ganz unterschiedlich ausfallen.
Das haben Sie ja in der jüngsten Sitzung des Planungsausschusses vorgetragen, können Sie uns dazu noch mal ein paar Beispiele nennen?
Ja, klar, nehmen sie zwei Beispiele für Steuern und Abgaben, mit denen man so oder so umgehen kann:
Wir bauen den BusinessPark, dort arbeiten langfristig ein paar Tausend Menschen, von denen viele in Wedel Nord wohnen sollen. Die Menschen zahlen, wenn sie im BusinessPark Arbeit haben, Steuern, diese gehen in die Fiskalische Wirkungsanalyse ein. Aber die Firmen, bei denen sie arbeiten, zahlen, wenn sie Arbeitnehmer beschäftigen, in der Regel ja auch Steuer. Diese allerdings finden sich in der Systematik des vorgelegten Papiers und im entsprechenden Haushalt der Stadt nicht wieder
Oder ein anderes Beispiel:
Wenn die Bevölkerung durch Wedel Nord wächst, dann gibt es zusätzliche Anforderungen/Belastungen für Behörden und öffentliche Einrichtungen, zusätzliche Leistungen aus öffentlichen Kassen etc. Und richtigerweise werden diese zusätzlichen Belastungen in die fiskalische Wirkungsanalyse eingerechnet.
Richtig ist aber auch, dass diese neuen, im Schnitt zahlungskräftigeren Bürger in Wedel einkaufen, zum Arzt und zur Apothekerin gehen, Rechtsanwälte und Steuerberater in Anspruch nehmen und insgesamt den gewerblichen und selbständigen Mittelstand stärken. Das hat direkte Auswirkungen auf deren Steuern und Abgaben und damit auf den Haushalt der Stadt. In diesem Falle positiv, aber leider bildet die Fiskalische Wirkungsanalyse diesen Sachverhalt nicht ab.
Und noch so ein Fall:
Wir reden über die Auswirkungen des künftigen Stadtteils Wedel Nord auf unseren künftigen Haushalt, jedes Jahr. Was haben dann eigentlich in einer solchen Fiskalischen Wirkungsanalyse Beträge auf der Ausgabenseite zu suchen, die diese Haushalte gar nicht mehr belasten, weil sie bereits vor Jahren beglichen worden sind? Dass Gelder, die vor 10 Jahren für Grundstücke bezahlt worden sind, in ein paar Jahren noch auf der Ausgabenseite der Stadt auftauchen und natürlich die Bilanz verschlechtern, ist nicht zu begreifen.
Und wie geht es jetzt mit Wedel Nord weiter, wie kann sich eigentlich die Bevölkerung zum Thema äußern, sich an der Debatte beteiligen?
Wir sammeln jetzt erst einmal alle Fragen und Anregungen für unsere nächste Sitzung im AK Wedel Nord, in der die Verwaltung und Vertreter der Fraktionen sich vorbereiten auf die Sitzung mit den Investoren im Januar. Diese Sitzung wird deutlichere, klarere Vorstellungen über weitere Planungsschritte geben. Und wir freuen uns natürlich über jeden Hinweis, jede Frage aus der Bevölkerung. Beide Gutachten sind übrigens im Bürgerinformationssystem auf wedel.de veröffentlicht
Ganz grob geht es jetzt z.B. um die Zahl der Wohneinheiten unterschiedlicher Art, den Zeitraum der Realisierung, die Anforderungen an die Infrastruktur, die Bewertung einzelner Kostenfaktoren und insbesondere natürlich die Leistungen der Investoren bzw. ihre Hilfestellungen bei der Vermeidung von Haushaltsrisiken.
Wir sind jetzt gefragt nach dem grundsätzlichen ja oder nein zu Wedel Nord, dazu gibt es von den Liberalen ein eindeutiges „ja.“ Wir unterstützen die weitere Planung und streben einen schnellen Entwurf für einen städtebaulichen Vertrag an. Und dann geht es ans Verhandeln.
Wann geht es genau weiter?
Am Vormittag des 16. Dezember.
Aber das ist doch ihr Geburtstag?
Stimmt, wir tagen trotzdem, daran sehen Sie, wie ernst wir das Thema nehmen.
Dr. Peter Heinze, 11.12.2016